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Ottleber Stephanuskirche

Mehr als ein halbes Jahrtausend alt, aber kein bisschen leise - das sind die Glocken der Ottleber Stephanuskirche. Jawohl, die drei Bronzeglocken, die heute hoch oben im Turm dieses Gotteshauses in West-Ost-Richtung schwingen, sind zugleich die ersten und letzten Glocken, die dort aufgehängt worden sind. Die allererste bereits im 14. Jahrhundert, die zweite 1451 und die dritte 1502.  Während die Hersteller von Nummer eins und von Nummer zwei unbekannt sind, hat Auslebens Ortschronist Peter S. Fischer herausgefunden, dass das dritte und zudem größte Geläut in Halberstadt von einem Heinrich Becker gegossen worden ist.

Ottleber Stephanuskirche - Luftaufnahme
Ottleber Stephanuskirche - Luftaufnahme

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Peter S. Fischer weiß nach dem Studium vieler historischer Unterlagen zudem zu berichten, dass diese Glocken zwar Hunderte Jahre ungefährdet vor sich hin geläutet haben, dann aber die zwei größeren doch ganz knapp dem Schmelzofen entkommen sind. Zwar sind sie während des 1. Weltkriegs noch mit etwas Glück „wegen ihres kunsthistorischen Wertes“ nicht in eine Waffenfabrik gebracht, dann aber am 30. Dezember 1941, also während des 2. Weltkriegs, doch gnadenlos beschlagnahmt, aus dem Kirchturm geholt und ins Kupferwerk nach Ilsenburg gebracht worden. Wo sie jedoch niemand – aus welchem Grund auch immer – „verarbeitet“ hat. 1948 sind diese beiden Glocken unversehrt aus dem Harz zurück nach Ottleben gebracht und erneut im  angestammten Glockenstuhl aufgehängt worden. Wo sich seither also wieder die Glocken-Erstbesetzung befindet. 

Was aus heutiger Sicht fast eine Sensation ist. Wie zum einen das Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen findet und es im Jahr 2003 in einem Schreiben so formuliert hat: „Es ist heute eine große Seltenheit, dass in den alten Gotteshäusern alle Originalglocken vorhanden sind, denn in den beiden Weltkriegen haben fast alle Gemeinden Glocken eingebüßt. Hier sind nun alle drei Glocken erhalten. Und nicht nur sie, sondern auch der Glockenstuhl und die Holzjoche.“ Was zum anderen den Orgel- und Glockensachverständigen Christoph Schulz aus Thale erklären lässt: „Diese Kirche hat ein besonders bedeutendes Geläut im Turm, das es entsprechend zu bewahren und zu pflegen heißt.“

Die Südseite der 1225 erbauten Ottleber Stephanuskirche, die eine der ältesten Sansteinkirchen der Börde ist.
Die Südseite der 1225 erbauten Ottleber Stephanuskirche, die eine der ältesten Sansteinkirchen der Börde ist.

Aber das ist ja längst nicht die einzige Besonderheit der Ottleber Stephanuskirche (wahlweise auch Sankt Stefani). Ist sie doch in der Börde möglicherweise die älteste, zumindest aber eine der ältesten Sandsteinkirchen überhaupt. Peter S. Fischer: „In dem spätrömischen Kleinod hielten die Freiherren von der Trautenburg und deren Nachkommen, die aus Wolfsburg/Wolfenbüttel stammenden Reichsgrafen von der Schulenburg, über viele Jahrhunderte das Patronat der Kirche. Noch heute beinhaltet das Gotteshaus die wertvollen Grabdenkmäler und Epitaphe dieser Adelsgeschlechter.“

Angefangen hatte alles Mitte des 12. Jahrhunderts, als der Recherche von Peter S. Fischer zur Folge die Herren von Otenleve, also die Vorfahren der späteren Adelsfamilie von der Trautenburg, in Sichtweite ihrer Wasserburg einen Wehrturm errichtet haben, der den Dorfbewohnern bei kriegerischen Auseinandersetzungen als letzte Zufluchtsstätte diente. Unter Einbeziehung jenes Wehrturms hat dieses Adelsgeschlecht schließlich 1225 dort eine Kirche aus Bruchsandstein gebaut. Die zwar in den folgenden fast 800 Jahren sowohl außen als auch innen mitunter stark verändert worden ist, aber immer die Sankt-Stefani-Ur-Kirche war.

Vieles neu wurde beispielsweise in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als die Kirche im Stil der Renaissance umgebaut worden ist. „Neben der Erneuerung des Dachstuhls entstand eine Holztonne über den zwei Chorjochen mit sich kreuzenden Rippen. Kanzel und Altar wurden zum Kanzelaltar zusammengefügt“, wie Peter S. Fischer recherchiert hat: „1683 wurden zudem längst der Nord-, West- und Südwände des Kirchenschiffs doppelte Emporen auf geschnitzten Pfosten errichtet. Außerdem erstellte man eine Patronatsloge für die Adelsfamilie, zu der man durch einen separaten Eingang über eine Außentreppe gelangte.“

Der Eingangsbereich an der Südseite.
Der Eingangsbereich an der Südseite.

Mit dem Bau der Doppelempore erhielt die Kirche 230 Sitzplätze. Zuvor hatte das Gotteshaus, wie auch in anderen Kirchen üblich, nur wenige Sitzgelegenheiten, sondern überwiegend Stehplätze. Auch ist ein Auffangbecken, eine sogenannte Piscina entfernt worden, in der in katholischen Zeiten die Messgefäße gewaschen worden sind, die aber nun in evangelischen Zeiten nicht mehr gebraucht worden ist.

Später ist in St. Stefani auch eine Familiengruft unter dem Kirchenschiff für derer von Trautenburg und für derer von der Schulenburg gebaut und sind einige Epitaphe, also Gedenktafeln aufgestellt beziehungsweise angebracht worden.

So wird in der Familiengruft unter anderem erinnert an:

  • Freiherr Christian Carl von Trautenburg (gestorben 1774) und dessen zweijährigen Sohn
  • Graf Ludwig Wilhelm Werner von der Schulenburg (gestorben 1811)
  • Gräfin Caroline Ernestine von der Schulenburg (gestorben 1832) und deren Tochter Clara Luise (gestorben 1837)
  • Graf Ludwig Wilhelm Karl von der Schulenburg (gestorben 1866)
  • Graf Ludwig Werner Albert Emil Schulenburg (gestorben 1902)
  • Hölzernes Epitaphe im Kirchengebäude erinnern beispielsweise an:
  • Heinrich Gottschalk von der Trautenburg (1675, in der Schlacht bei Fehrbellin gestorben)
  • Christian von Trautenburg (1684 im niederländischen Kriegsdienst gestorben)

Eine erste Orgel hat die Ottleber Stephanuskirche 1750 erhalten, die 1906 durch eine in Stendal für 4578,50 Mark hergestellte „Pneumatische Kegellagerorgel“ ersetzt worden ist. „Unter Einbeziehung von Teilen des Models von 1750 entstand ein neues Instrument“, heißt es in historischen Unterlagen. Danach stammten das Gehäuse, der Prospekt und das künstlerisch ausgestaltete Pfeifengehäuse vom Vorgängermodel. Das dann in der neuen Variante 1907 eingeweiht worden ist.

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