Neuwegersleber Schinkelschmiede
Die Neuwegersleber Schinkelschmiede ist zwar ein recht kleines, aber feines historisches Gebäude, mit dem jedoch der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel nur ganz entfernt zu tun hat. Wo einst Werkzeuge und Geräte für die Domäne hergestellt und repariert worden sind, wurde zu DDR-Zeiten für die LPG geschmiedet. Heute ist es eine Außenstelle des Bauhofes der Verbandsgemeinde.
Es war Mitte des 18. Jahrhunderts, als Prälat Heinrich Nolte das vor allem durch die Pest und den 30-jährigen Krieg so gut wie ausgelöschte Wegersleben wiederbelebt hat. Er ließ einen Gutshof nebst Kolonistenhäuser bauen und sorgte somit dafür, dass aus dem alten Wegersleben das Dorf Neuwegersleben wurde.
Und da solch ein Gutshof, der sich nach und nach zu einer größeren Domäne entwickelte, einen Pferdeschmied wie auch reichlich landwirtschaftliche Geräte sowie Werkzeuge benötigt, die hergestellt, gepflegt und repariert werden wollen, hat Neuwegersleben auch recht schnell einen guten Steinwurf vom Gutshof entfernt auf dem Dorfanger eine Schmiede bekommen. Etwas entfernt vom Gutshof deshalb, weil von solch einer Werkstatt, des Schmiedefeuers wegen, immer eine gewisse Brandgefahr ausgegangen ist, vor der der Gutshof geschützt werden sollte.
Immerhin hat es die glühende Schmiedekohle, die meist eine hochwertige Steinkohle war, zur Erwärmung des Werkstücks auf eine Temperatur bis zu 1250 Grad Celsius gebracht. Was seinerzeit mit Hilfe eines Blasebalgs erreicht worden ist. Während oberhalb der Feuerstelle ein Rauchfang war, der als Abzug für Qualm und Funken gedient hat.
Was alles in Neuwegersleben scheinbar immer problemlos funktionierte. Jedenfalls ist von keinem Brand bekannt, den die Schmiede verursacht hat. So haben also beispielsweise die Schmiedemeister Bäse, Knoche und Kahmann bis Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts die Neuwegersleber Schmiede unfallfrei betrieben. Namen, die der Neuwegersleber Hobby-Chronist Albert Busse in historischen Unterlagen gefunden hat. In denen allerdings der Name des berühmten Baumeisters Karl Friedrich Schinkel nicht auftaucht.
Aber warum ist dennoch bis heute von der Neuwegersleber „Schinkelschmiede“ die Rede? Vielleicht hilft ja zur Erklärung ein Abstecher in das nur neun Kilometer entfernte Neindorf. Denn auch hier gibt es eine „Schinkelschmiede“, die sogar etwas pompöser als die Neuwegersleber, ein paar Jahre früher und ebenso aus Backsteinen gebaut sowie mit einem achteckigen Schornstein errichtet worden ist.
Jener Neindorfer „Schinkelschmiede“ wurde lange Zeit die Entstehungsgeschichte zugeschrieben, dass Karl Friedrich Schinkel einst bei einem Besuch des Neindorfer Grafen von der Asseburg beim Dinner in minutenschnelle die Neindorfer Schmiede auf einer Serviette entworfen hat. Was aber nirgends bestätigt ist. Vielmehr scheint weitaus wahrscheinlicher zu sein, dass Schinkels fast genauso berühmte Schüler Friedrich August Stüler der Bauherr jener Schmiede war. Ist doch dokumentiert, dass Stüler mehrere Male „zur Überwachung des Baufortschritts“ in Neindorf gewesen ist.
Wieder zurück in Neuwegersleben, ist es recht wahrscheinlich, dass hier die Schmiede nach dem Neindorfer Vorbild gebaut worden ist und deshalb auch als „Schinkelschmiede“ bezeichnet wird. Immerhin gibt nicht zuletzt mit dem markanten Schornstein Ähnlichkeiten und war die Adelsfamilie von Kotze laut Geschichtsbüchern in Neuwegersleben „begütert“, hat hier also reichlich Land besessen. Und derer von Kotze wiederum waren mit der in Neindorf residierenden Adelsfamilie von der Asseburg nicht nur wirtschaftlich, sondern auch verwandtschaftlich verbunden.
Auch wenn kein unmittelbarer Einfluss des großen Baumeisters Karl Friedrich Schinkel auf die Neuwegersleber Schmiede nachgewiesen ist, ist sie die „Schinkelschmiede“ und vor allem ein als Denkmal ausgewiesenes interessantes historisches Gebäude.
Über das der Hobby-Chronist Albert Busse überdies herausgefunden hat, dass diese Schmiede zu DDR-Zeiten zunächst von der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) genutzt worden ist. Namentlich haben hier unter anderem die Schmiede beziehungsweise Schlosser Werner Geier und Erich Gudat gearbeitet, die gelegentlich von Werner Kahmann unterstützt worden sind, der bei der Deutschen Reichsbahn angestellt war. Später hat das Gebäude die VdgB (Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe) übernommen und unter anderem als Schrotmühle und als Ausleihstation für Acker- und Gartengeräte genutzt. Seit 1990 dient die „Schinkelschmiede“ als Unterkunft sowie Material-, Werkzeug- und Maschinenlager dem kommunalen Bauhof.