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Kroppenstedter Freikreuz

Das Kroppenstedter Freikreuz ist eines der ganz großen Besonderheiten der Stadt. Fast 800 Jahre steht es für Städtefreiheit und Privilegien ...  

Der obere Teil des Kroppenstedter Freikreuzes, auf dessen Seitenarmen sich unter anderem zwei kleine Kreuze befinden
Der obere Teil des Kroppenstedter Freikreuzes, auf dessen Seitenarmen sich unter anderem zwei kleine Kreuze befinden

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Seit 1991 nennen die Kroppenstedter ihre größte Jahres-Sause „Freikreuzfest“ und feiern es jeweils am 3. Oktober. Womit die Einwohner der historischen Börde-Stadt zum einen Jahr für Jahr den Tag der deutschen Einheit auf besondere Art würdigen, womit sie aber vor allem dem namensgebenden Freikreuz und dessen einzigartige, inzwischen fast 800jährige Geschichte huldigen. Jenem Freikreuz also, das seit dem früheren Mittelalter bis heute ein Symbol für die Kroppenstedter Städtefreiheit und für die damit verbundenen städtischen Privilegien ist.

Dieses Freikreuz befindet sich auf dem Kroppenstedter Marktplatz vis-a-vis vom Rathaus. Es ist ein fast viereinhalb Meter hohes, unter anderem mit Wappen reichlich verziertes Objekt aus Sandstein, das auf einem massiven Sockel steht und zudem von vier Metallstreben in Position gehalten wird. Zum Umfeld gehören Blumenrabatten und gehört eine Bank, auf der Besucher die Möglichkeit haben, bei ihrem Stadtrundgang am Freikreuz eine besinnliche Pause einzulegen.

Also eine Pause einzulegen an einer historisch äußerst bemerkenswerten Stelle. Denn nicht nur, dass hier dieses besagte Sandstein-Kreuz schon seit fast 370 Jahren steht, haben an eben diesem Platz auch zuvor schon 400 Jahre diverse Vorgänger-Kreuze aus Holz gestanden und Kroppenstedts Städtefreiheit und Privilegien symbolisiert.

In historischen Unterlagen wird ein hölzernes Kroppenstedter Freikreuz zum ersten Mal im Jahr 1248  erwähnt, also sogar schon fünf Jahre bevor Kroppenstedt das Stadtrecht verliehen worden ist. Von einer Stätte der Richtbarkeit ist aber offiziell erst in einem Dokument aus dem Jahr 1322 die Rede, so dass wohl spätestens zu diesem Zeitpunkt der Stadt Kroppenstedt vom damaligen Erzbischof beziehungsweise Landesfürsten das Recht für eine zumindest niedere Gerichtsbarkeit verliehen worden ist. Dass also die Kroppenstedter beispielsweise über vermeintlich geringere Strafdelikte selbst verhandeln und entscheiden durften. Aber nicht nur über solche Delikte, sondern sie hatten mit diesen Privilegien auch die Handhabe, über die eine oder andere Frage der Jagd und der Steuer oder auch des Familien- und Erbrechts selbst zu entscheiden.

Und diese Entscheidungen sind seinerzeit zumeist unmittelbar im Schatten des Freikreuzes, also öffentlich vor dem Volke und unter freiem Himmel von einem Kreuzgericht getroffen worden. Wie hier auch über schlimmere Taten, beispielsweise über Raub oder Mord, verhandelt und gerichtet wurde. Allerdings von dafür zuständigen höheren Stellen. Beispielsweise 1248 unter Regie des Grafen Siegfried von Blankenburg, 1322 unter Regie des Edlen Gardun von Hadmersleben oder 1617 unter der Regie des Gröninger Amtsmanns Franz von Behr.

Doch da aus Holz gefertigt, hat immer wieder der Zahn der Zeit ganz kräftig am Kroppenstedter Freikreuz genagt, so dass es regelmäßig erneuert werden musste. Überliefert ist, dass das letzte hölzerne Kreuz 1587 gefertigt worden ist, dazumal die mit dem Freikreuz verbundenen Privilegien bestätigt worden sind und jedem Strafe angedroht wurde, der das Kreuz beschädigt.
 
47 Jahre später haben der Bürgermeister und die Räte der Stadt noch einmal „bei der hohen Obrigkeit mit untertänigem Bitten um einen Eichenbaum zur Erneuerung des Freikreuzes“ nachgesucht, wie in archivierten Unterlagen geschrieben steht. Der eingeforderte Baum ist auch 1634 bewilligt und herbeigeschafft, dann aber von schwedischen Soldaten zu Brennholz verarbeitet und verfeuert worden. Hatten doch die Schweden in der Mitte des  Dreizigjährigen Krieges hierorts das Sagen.

1649, also ein Jahr nach Ende dieses Krieges, haben die Kroppenstedter noch einmal zur Erneuerung ihres Freikreuzes um einen Eichenbaum gebeten. Woraufhin der Oberförster J. von Steinmacker dem Kroppenstedter Förster auch den Befehl gegeben hat, „dem Rat auf dem Kahlen Holze ein dienlich Stück auszuweisen.“ Doch ist es dazu aus mehreren Gründen nicht mehr gekommen. Vor allem, weil nach Ende des Dreizigjährigen Krieges Kroppenstedt und Umgebung nicht mehr zum Bistum Halberstadt gehörte, sondern Teil des brandenburgischen Staates beziehungsweise des Kurfürstentums Brandenburg wurde. Womit auch die Gerichtsverfassung eine völlig andere und die ursprüngliche Bedeutung der Kroppenstedter Richtbarkeit erloschen war.

Doch wollten sich die Kroppenstedter trotz alledem keineswegs von ihrem Freikreuz und der damit verbundenen Symbolik trennen. Mussten sie auch nicht. Ganz im Gegenteil. Denn der damalige brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte nicht nur für die Symbolik dieses Kreuzes offene Ohren, sondern auch für den Wunsch der Kroppenstedter, nun ein Freikreuz aus Stein zu bekommen.

Das hat der Steinmetz Martin Kugler aus Seehausen dann auch 1651 gebaut. 100 Taler waren dafür ausgemacht, die dem Steinmetz am Ende der Arbeiten aber nicht mehr genug waren. So dass ihn die Kroppenstedter kurzerhand für ein paar Tage in das Gefängnis ihres Rathauses steckten, wo er es sich dann wohl anders überlegt und die 100 Taler akzeptiert hat.

Am 24. Juli 1651 ist das neue Freikreuz mit viel Prunk und Pomp eingeweiht worden. Eigens dafür hatte der Kurfürst Friedrich Wilhelm seinen Obristen Hans Christoph von Burgsdorff und dessen Sekretär Heinrich von Siedenkopf nach Kroppenstedt geschickt, um in seinem Namen das neue Kreuz und damit auch die Freiheiten der Stadt „in feierlicher Weise zu bestätigen“, wie in historischen Unterlagen zu lesen ist.

Seit diesem Tag steht also nun das steinerne Freikreuz an seinem Platz. Verziert unter anderem mit dem kurfürstlich-brandenburgischen Wappen, mit dem Kroppenstedter Stadtwappen, mit zwei kleineren Kreuzen auf den Seitenarmen sowie mit 17 Wappen des Bürgermeisters, der Richter und Ratsmänner jener Zeit, die sich am Standpfosten vorn und hinten befinden.

Aus der Folgezeit ist überliefert, dass 1880 der Stamm des Kreuzes mit Bronzestäben verstärkt wurde und 1925 auch die Querbalken eine Verstärkung bekommen haben. 1985 ist das Kreuz für eine umfangreiche Restaurierung vom VEB Denkmalpflege Magdeburg abgebaut und erst drei Jahre später wieder aufgestellt worden. Und zwar auch auf einem neuen Sockel sowie mit einer Kassette im linken Balken, in der sich vor allem viele Kroppenstedter Geschichtsdaten befinden. Schließlich ist das Kreuz 1993 noch einmal konserviert worden, um es vor Wettereinflüssen zu schützen.

Inzwischen trägt nicht nur das größte Kroppenstedter Fest das Freikreuz im Namen, sondern auch die Kroppenstedter Grundschule, eine Kroppenstedter Apotheke und ein Kroppenstedter Landwirtschaftsbetrieb.

Wie die Kroppenstedter insgesamt sehr interessiert und selbstbewusst mit ihrer Geschichte umgehen. Zu der auch ein bereits 1371 eingerichteter Reiterdienst gehört, der bis heute das Leben in Kroppenstedt maßgeblich beeinflusst und möglicherweise auch dazu geführt hat, dass nach dem Dreizigjährigen Krieg der brandenburgische Kurfürst sehr wohlwollend mit den Kroppenstedtern  umgegangen und ihnen besagtes neues steinernes Freikreuz nebst Privilegien zugestanden hat.

Jene Bauern, die bis ins 18. Jahrhundert hinein in diesem Reiterdienst den jeweiligen Landesfürsten oder anderen Obrigkeiten auf Abruf als berittene Gardisten zur Verfügung standen, haben für ihre Dienste jeweils zwischen 14 und 28 Morgen große Ackerflächen zur Bewirtschaftung geliehen bekommen. Das war jeweils eine Reithufe, von denen Stadt und Kirche insgesamt 40 gehörten.

Lange Zeit sind diese Reithufen unter genau festgelegten Bedingungen vererbt, nach der Reiterdienst-Auflösung im Jahr 1727 dann in einem Sechs-Jahres-Rhythmus an Interessenten verlost und zwischenzeitlich zu DDR-Zeiten ihrer eigentlichen Bestimmung beraubt worden. Seit Anfang der 1990er Jahre sind all diese Flächen wieder offiziell im Besitz von Stadt und Kirche, die gemeinsam eine Reithufenstiftung gegründet haben und die Reithufen nun im Zwei-Jahres-Rhythmus an haupt- und nebenberufliche Bauern zur landwirtschaftlichen Nutzung verlosen. Die Losgewinner müssen nun heute keine Reiterdienste mehr verrichten, zahlen aber eine Pacht, die in die Kasse der Stiftung fließt. Und mit dem Stiftungsgeld werden Vereine, Einrichtungen und Projekte der Stadt unterstützt, worüber ein Stiftungsvorstand entscheidet, dem drei Vertreter der Kirchengemeinde und drei Vertreter des Stadtrates angehören.

So dass also bereits im Mittelalter vollzogene Entwicklungen und getroffene Entscheidungen bis heute das Leben in Kroppenstedt mitunter sehr spürbar beeinflussen. Wie Besucher der sehr geschichtsträchtigen Stadt nicht nur mit Blick auf Freikreuz und Reithufen, sondern auch mit Blick auf viele andere Gegeben- und Besonderheiten erfahren werden.

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